Deutsch-französische Freundschaft leben - Schüleraustausch 2019
Freitag, 3.5.19: Anreise und Speyer
Der Entschluss an der Reise nach Frankreich teilzunehmen fiel, da es eine Ehre für uns ist, die deutsch-französische Freundschaft anhand der Städtepartnerschaft Landshut - Compiègne zu repräsentieren. Natürlich hatten wir auch großes Interesse an der französischen Kultur und ihrer Geschichte. Trotz oder gerade wegen der Sprachbarriere zwischen uns Schülern wurde die Reise zu einem einmaligen Erlebnis, denn seit dem Besuch der französischen Austauschschüler im März dieses Jahres in Landshut hielten überraschend viele von uns Jugendlichen Kontakt zueinander und vereinbarten Termine, an denen wir uns in Frankreich wiedersehen konnten. Dank der finanziellen Unterstützung des deutsch-französischen Jugendwerks und des Bezirks Niederbayern war es möglich, dass so viele unserer Schüler aus den unterschiedlichsten Ausbildungsberufen der Berufsschule 1 Landshut die Chance nutzen konnten, an der Fahrt teilzunehmen, die diesmal unter dem Motto Umweltschutz stand. An dieser Stelle ein herzliches Vergelt’s Gott!
Die Reise begann am Freitag, den 03.05.2019 um 4:30 Uhr mit dem Treffpunkt am Haupteingang der Berufsschule 1 in Landshut zum Beladen des Reisebusses. Die Mischung zwischen Aufregung und Müdigkeit in den Augen der Schüler war kaum zu übersehen.
Gerade aufgewacht, um 10 Uhr vormittags, kamen wir in Speyer an, wo wir in zwei Gruppen aufgeteilt eine persönliche Führung genießen durften. Angefangen hat alles im Paradies Speyers; eine große Grünfläche östlich des Doms. Von dort aus begann unsere Reise durch die Geschichte der Stadt. Wir besichtigten das römische, gotische und bayrische Außengemäuer des Doms und bekamen einen Einblick in die Tragödien, welche die Stadt prägte. Danach erklommen wir den Altpörtel, das letzte noch stehende Stadttor und genossen eine atemberaubende Aussicht über ganz Speyer.
Von den Lehrern wurden für uns zur Stärkung warme Wiener mit original Speyerer Brezen und Kaffee zubereitet. Danach ging die Fahrt weiter, sodass wir um 20.00 Uhr endlich in unserer Unterkunft, dem Europahaus in Compiègne, ankamen. Nach der Begrüßung von Frau Michéle Bilbaut, der Präsidentin des Partnerstadtvereins in Compiègne, und der Lehrer unserer Partnerschule, Marylène Kersanté, Lydia Mazzocco Hénin, Laurent Swiac und Sébastien Brenner, bezogen wir alle unsere Zimmer und aßen anschließend gemeinsam im Restaurant „L’assiette“ zu Abend.
So endete der erste Abend in Compiègne in Erschöpfung und ließ eine erfolgreiche Reise erwarten.
Samstag, 4.5.19: Paris
Am Samstag besuchten wir das Herz Frankreichs: Paris. Mehrfach wurden wir von unseren französischen Freunden aus der Partnerschule gewarnt, großen Abstand zu den Gelbwesten zu halten. Diese sind oft gewaltbereit, gerade wenn man nicht ganz ihrer Meinung ist, daher ist es besser, sich nicht mit ihnen in eine Diskussion verwickeln zu lassen, so lauteten die Tipps. Unsere um uns besorgten französischen Freunde betonten, dass große Teile der französischen Bevölkerung nicht hinter den Gelbwesten stehen würden, man sich ausdrücklich von der Gewalt distanziere und einsieht, dass soziale Reformen, wie man sie in Deutschland bereits vor Jahren einführte, um Renten etc. überhaupt noch finanzieren zu können, dringend nötig seien. In der Tat herrschte an den öffentlichen Plätzen ein großes Polizeiaufgebot, Absperrungen verhinderten die Einfahrt in die Zonen der angekündigten Demonstrationen. Tags darauf konnten wir noch nicht reparierte demolierte Schaufenster an den Champs- Élysées sehen, obwohl wir Glück hatten, dass die Beteiligung und die Zerstörung an diesem Wochenende gering ausfielen.
Trotz der Warnungen unserer französischen Betreuer und des Regenwetters war der erste Eindruck der Stadt atemberaubend. Wir fuhren am Flughafen Charles de Gaulle, den Champs- Élysées und dem Triumphbogen vorbei. Am berühmten Eiffelturm starteten wir eine Schifffahrt auf der Seine und bewunderten weitere Sehenswürdigkeiten wie den Louvre, Notre Dame, die ältesten Brücke Paris (Pont Neuf) und die Alexanderbrücke. Von der Seine aus deutlich zu erkennen war die teilweise durch Flammen zerstörte Notre Dame, das Wahrzeichen der Herzen eines jeden Einwohners von Paris. Anschließend ging es in Richtung des historischen Kaufhauses „Lafayette“. Beeindruckend war die Jugendstil-Architektur dieses Gebäudes, eines der ältesten Kaufhäuser Frankreichs, insbesondere die bunte Glaskuppel im Zentrum. Auffällig war ebenfalls, dass es neben den Luxusshops auch viele Second-Hand- und Recycle-Stores in dem Viertel gab. Zudem fuhren viele Passanten in Paris mit einem E-Scooter durch die Stadt. Sehr positiv wirkten in Paris auf uns die Alleen, die sofort ein gesünderes Straßenbild vermittelten, auch das Stadtbild insgesamt war trotz der Häuserflut mit den Parks und der Seine häufig begrünt. Am späten Nachmittag wurden gemeinsam noch ein paar Einkäufe für die kommenden Tage erledigt. Anschließend fuhren wir zum Abendessen wieder zurück in das Europahaus nach Compiègne.
Sonntag, 5.5.19: Paris, Versaille
Bonjour hieß es für uns alle um 8:30 Uhr mit einem leckeren, selbst bereiteten Frühstück in unserer Herberge. Um halb 10 Uhr ging es für uns in die Innenstadt von Paris. Insgesamt 745 Stufen brachten wir hinter uns um anschließend mit dem Aufzug auf die höchste Etage des Eiffelturms in 295 m Höhe zu fahren. Um diesen unglaublichen Ausblick über die gesamte Stadt erleben zu dürfen, nahmen wir diese Hürden gerne auf uns. Das nächste Ziel war das Schloss Versailles. Nach einer stärkenden Jause besuchten wir das im 17. Jahrhundert errichtete Bauwerk, welches früher Modell für zahlreiche Schlösser stand und heute zum Weltkulturerbe gehört. Es erstreckt sich mit seinen prachtvollen Gärten über 800 Hektar. Das Schloss, bis zur französischen Revolution Hauptresidenz der französischen Könige, konnte wegen seiner architektonischen Bauweise und seine prachtvollen Säle und Kunstwerke bewundert werden. Die Gartenanlagen waren mit zahlreichen
Brunnen und Fontänen geschmückt und boten eine prunkvolle Atmosphäre. Nach diesen Eindrücken machten wir uns auf den Weg zurück nach Paris zum Künstlerviertel Montmartre mit dem einzigen Weinberg in Paris und der berühmten Basilika Sacré-Coeur. Dort konnten wir durch die Souveniershops bummeln und unseren Mägen mit französischem Essen füllen. Zum Highlight des Tages fuhren wir am Abend zu einer Aussichtsplattform, von der aus man zu jeder vollen Stunde des Abends einen perfekten Ausblick auf den blinkenden Eiffelturm hat. Anschließend ging es in einer ruhigen Fahrt zurück in unsere Unterkunft.
Montag, 6.5.19: Lycée Mireille Grenet, Firma Alphatec
Am Tag vier besuchten wir zunächst die Schule Les Lycées Mireille Grenet in Compiègne. Diese teilt sich dabei in ein Gymnasium sowie zwei Berufsfachschulen auf.
Ausgebildet wird in letzteren u. a. in den Bereichen Elektrotechnik, Programmierung, Architektur, KFZ-Mechatronik und auch in kaufmännischen oder hauswirtschaftlichen Berufen. Nach Abschluss im Gymnasium bietet die Schule dort fachliche Weiterbildung in Modulen in verschiedenen Bereichen, wie zum Beispiel in dem der Wasseraufbereitung an, welchen wir besuchen durften. Diese Ausbildungsbereiche belegen die etwa 2000 Compiègner Schüler nach der 10. Klasse, um dort ihre dreijährige Ausbildung im entsprechenden Bereich zu absolvieren. Hierbei handelt es sich um eine (in Frankreich typische) rein schulische Ausbildung, welche jedoch mehrere Wochen Praktikum beinhaltet. Des Weiteren gibt es für die französischen Schüler die Möglichkeit jeweils zwei
Orientierungsfächer in der 11. Klasse zu belegen, in denen beispielsweise einem Schüler mit Interesse an Flugzeugen der Beruf als Pilot mit Praxiswerkzeugen wie einem Flugsimulator (siehe Bild) vorgestellt wird. Am Nachmittag besuchten wir den Vorzeigebetrieb Plastic-Omnium. Beginnend mit einem 30- minütigen Vortrag über das Unternehmen und dessen Technologie, α-ALPHATECH, erfuhren wir, dass durch effiziente Herstellung von Tanks das Ausdampfen von Treibstoff verhindern werden kann, um Emissionen zu verringern. Darüber hinaus produziert die Firma Abgasnachbehandlungssysteme mit AdBlue. Mit dieser Technologie können Stickoxide in harmloses Wasser und Stickstoff umgewandelt werden. Auch diese Produktsparte wurde uns eindrucksvoll vorgestellt.
Dienstag, 7.5.19: Dieppe (Alabaster-Steilküste, Bootstour Meereskundemuseum)
Sehr früh begann der Tag zusammen mit einigen unserer französischen Austauschschüler mit der Busfahrt nach Dieppe in der Normandie. Als wir ankamen, begaben wir uns gleich auf ein Boot und starteten eine Tour aus dem Yacht- und Fischerhafen hinaus und an der beeindruckenden bis zu 100 Meter hohen Steilküste entlang. Deutlich nachvollziehbar wurden wir von unserem Kapitän und Reiseleiter informiert, dass dieses malerische Licht viele Künstler anlockte und inspirierte. Man konnte weiterhin gut erkennen, dass die Kreidefelsen mit der Zeit immer wieder ins Meer rutschen und sich der Atlantik so jährlich 20 cm Land zurückeroberte. Der Leuchtturm musste bereits dreimal zurückversetzt werden, ein Bunker aus dem zweiten Weltkrieg hing auf halber Höhe ins Meer in der Steilwand fest. Erfrischt von der Meeresbrise fuhren wir zurück in den Hafen. Zur Stärkung gab es Picknick mit Wurst, Baguette, Gemüse und anderen Köstlichkeiten mit Aussicht auf den Ärmelkanal. Einige unserer Gruppe trauten sich in das etwa 12 Grad kalte Wasser hineinzuspringen. Nach dieser Abkühlung ging es zu einem Meereskundemuseum. In der Führung wurden uns die interessantesten Informationen über den typischen Schiffsbau angelehnt an Technik der Wikinger erläutert. Außerdem erfuhren wir wozu die Kreidefelsen und der regionale Feuerstein in der modernen Industrie verwendet werden.
Die Region um Dieppe ist Europas größter „Erntebereich“ für Venusmuscheln, die Fangtechniken im Meer wurden genannt, deren Auswirkungen auf die Ökologie wollten wir aus Höflichkeit nicht ansprechen, da die Fischer vor Ort davon leben. Um einen Eindruck zu bekommen von der Meeresverschmutzung durch Plastikmüll, betraten wir einen kleinen Raum im Museum, der „geschmückt“ war mit allerlei Fundstücken, gesammelt in zwei Sommerwochen am Strand von Dieppe. Eine Plastiktüte, die seit sieben Jahren in einem sprudelnden Meerwasserbecken in der Ecke des Raumes vor sich hin verrotten sollte, war immer noch als großer Fetzen vorhanden, obwohl bereits sehr viele Kleinteile im Becken schwebten.
Mittwoch, 8.5.19: Feiertag in Frankreich – „Tag des Sieges“: Clean Walk und Sight Running durch Compiègne, Waffenstillstandslichtung Rethonde, Schloss Pierrefonds
Der Tag begann wie immer mit einem selbst zubereiteten Frühstücksbuffet. Danach sammelten wir Müll auf dem Weg von der Jugendherberge bis zum Schloss von Compiègne. Dies war eine leider verregnete Aktion zum Thema Umweltbewusstsein und zeigte auf, wie viele Zigarettenkippen, Radkappen, Verpackungen achtlos auf der Straße landen. Am Schloss angekommen erhielten wir interessante Informationen über die Geschichte Compiègnes. Zurück in der Herberge konnten wir uns aufwärmen und unsere durchnässten Schuhe wechseln. Nach einem schnellen, gemeinsamen Mittagsessen fuhren wir durch den Wald von Compiègne zum Waffenstillstandsplatz, an welchem letztes Jahr Angela Merkel und Emmanuel Macron anlässlich des 100-ten Jahrestages des Endes des ersten Weltkrieges eine Gedenktafel zur deutsch-französischen Freundschaft enthüllten. Wir besichtigten das Museum, in dem ein originalgetreuer Nachbau des Wagons ausgestellt war, in welchem der Waffenstillstandsvertrag des Ersten Weltkriegs 1918 unterzeichnet wurde. Dort konnten wir uns auch Informationen und zahlreiche Originalfotografien aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg ansehen, die uns vor Augen führte, wie wichtig ein friedvolles Miteinander in Europa ist. Danach fuhren wir zum Schloss von Pierrefonds, welches wir selbstständig erkunden durften.
Donnerstag, 9.5.19: Videopräsentation des Recyclingstandortes Compiègne, Empfang im Rathaus, gemeinsamer deutsch-französischer Abschlussabend
Mit den öffentlichen Buslinien in Compiègne, die übrigens ohne Gebühren für jedermann zur Verfügung stehen, fuhren wir an diesem Tag zu einem Vortrag des neuen Recycling-Zentrums, welches in zwei Wochen eröffnet wird und eines der größten automatischen Müll Sortierzentren Europas sein wird. Stolz präsentierte man uns, dass man künftig Papier, PET Flaschen und PE-Plastikmüll zusammen mit Aluminium-Einwegdosen in Säcken sammeln wird und im neuen Sortierzentrum weitgehend vollautomatisch trennt und dem Recycling-Kreislauf zuführen wird. Auch wenn man sich bewusst ist, dass in Deutschland bereits vieles umgesetzt ist, so ist Müllvermeidung immer noch die beste Art des Recyclings. Ein idyllischer Spaziergang führte uns an der L‘Oise entlang zurück in Richtung Zentrum, mal wieder mit drohenden Regenwolken auf unseren Fersen, vor denen uns der Taxidienst unserer französischen Lehrkräfte rettete. Im Rathaus wurden wir im Anschluss empfangen von der Bürgermeisterin Compiègnes, Arielle François, die sich bedankte bei allen Organisatoren, den Teilnehmenden, den Eltern und allen Sponsoren, die einen Schüleraustausch ermöglichen. Am Abend fand ein gemeinsames Essen, organisiert vom Partnerschaftsverein Landshut – Compiègne, statt. Es gab französische Spezialitäten und deutsches Fassbier, welches wir mitgebracht hatten.
Freitag, 10. Mai 2019: Heimfahrt mit Stopp in Blaubeuren
Als Mitbringsel gab es nicht wie im Dauerbrenner unserer Busreise „Sterne in Athen“, stattdessen crêpes-dentel aus Compiègne! Ein herzliches Grüß Gott und feuriges bonjour vom letzten Tag unserer Frankreichfahrt! Die Motoren sind schon warm, der Einstieg fast komplett. Und wir? Wir schauen noch einmal im Halbschlaf über die malerischen Fassaden von Compiègne. Und das schon zu der unchristlichen Uhrzeit von 7 Uhr morgens. Diese Woche verging leider zu schnell. Viel erlebt, viel gesehen und wenig geschlafen. Ein letztes Mal hatten wir die Chance, die malerischen Landschaften Frankreichs, die Wiesen, Kirchen und Prachtbauten zu bestaunen. Ich zitiere Rafi beim Ankommen in diese Stadt: „Sieh dir nur die Fassaden an, so voller Tatendrang. Dass ich kaum warten kann. Ja, meine Freude ist so groß, denn jetzt geht es los“. Wir sprangen in dieser Woche zusammen im wahrsten Sinne des Wortes ins kalte Wasser, rannten durch die prachtvollsten Schlösser und erstarrten beim Anblick des Eiffelturms. Es war schön, zu schön. Ja aus 30 „lonesome ridern“ wurde ein echtes Wolfsrudel und wie Bon Jovi jetzt sagen würde „we got each other and that’s a lot“.
Wir wollen uns an dieser Stelle sehr herzlich bei unserem Busfahrer Hermann bedanken, der immer wieder euphorisch zu uns sagte: „les jeunes, êtes-vous prêt?“, übersetzt: „Leute, seid ihr bereit?“ und wir jedes Mal aufs Neue schrien „bien sûr, oui“. So fuhren wir sicher und glücklich durch die Oise und die Normandie Frankreichs!
Last but not least, ein Hoch auf unsere Lehrer, ihr wart der Hammer, merci! Ein Hoch auf das Wolfsrudel, ein Hoch auf das Leben.
C’est la vie, mes amis!
Larissa, Caro, Lukas, Christina, Tina, Anna-Lena, Wand, Conny, Chrissi, Alex, Max, Peter, Marco, Til, Tobi, Fabia, Samuel, Johannes, Jaqueline, Sophia, Rafi, Vanessa, Lena, Maxima, Christina, Lara, Max, Florian, Kevin, Jakob